Universität Helmstedt: Unterschied zwischen den Versionen
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Die '''Universität Helmstedt''' ('''Academia Julia''' oder '''Academia Julia Carolina''' oder ''„academia helmstadiensis“'') bestand von 1576 bis 1810. Sie ging aus einem Pädagogium Illustre hervor, welches zuvor 1571 in Gandersheim gegründet und am 6. Juli 1574 nach [[Helmstedt]] verlegt worden war.<ref>D. Schäfer, Das Pädagogium Illustre zu Gandersheim bis zu seiner Verlegung nach Helmstedt, in: Jahrb. d. Ges. f. Nieders. Kirchengeschichte 64 (1966), S. 107 ff.</ref> | Die '''Universität Helmstedt''' ('''Academia Julia''' oder '''Academia Julia Carolina''' oder ''„academia helmstadiensis“'') bestand von 1576 bis 1810. Sie ging aus einem Pädagogium Illustre hervor, welches zuvor 1571 in Gandersheim gegründet und am 6. Juli 1574 nach [[Helmstedt]] verlegt worden war.<ref>D. Schäfer, Das Pädagogium Illustre zu Gandersheim bis zu seiner Verlegung nach Helmstedt, in: Jahrb. d. Ges. f. Nieders. Kirchengeschichte 64 (1966), S. 107 ff.</ref> | ||
== Geschichte == | == Geschichte == | ||
Die ''Academia Julia'' wurde von Herzog [[Julius (Braunschweig-Wolfenbüttel)|Julius]], Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel, in [[Helmstedt]] als erste dezidiert protestantische Universität in der Nordhälfte Deutschlands<ref>P. Baumgart, David Chytraeus und die Gründung der Universität Helmstedt, in: Braunschw. JB 42 (1961), S. 35−37</ref> neugegründet und am 15. Oktober 1576 mit einem feierlichen Gottesdienst in der [[St.-Stephani-Kirche]] eröffnet. Rektoren wurden aus Tradition immer die Herzöge und Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel. Den Anfang machte der zwölfjährige Sohn des Gründers, der spätere Herzog [[Heinrich Julius (Braunschweig-Wolfenbüttel)|Heinrich Julius]]. | Die ''Academia Julia'' wurde von Herzog [[Julius (Braunschweig-Wolfenbüttel)|Julius]], Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel, in [[Helmstedt]] als erste dezidiert protestantische Universität in der Nordhälfte Deutschlands<ref>P. Baumgart, David Chytraeus und die Gründung der Universität Helmstedt, in: Braunschw. JB 42 (1961), S. 35−37</ref> neugegründet und am 15. Oktober 1576 mit einem feierlichen Gottesdienst in der [[St. Stephani (Helmstedt)|St.-Stephani-Kirche]] eröffnet. Rektoren wurden aus Tradition immer die Herzöge und Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel. Den Anfang machte der zwölfjährige Sohn des Gründers, der spätere Herzog [[Heinrich Julius (Braunschweig-Wolfenbüttel)|Heinrich Julius]]. | ||
Im Jahre 1592 wurde mit dem Bau des späteren Hauptgebäudes, des [[Juleum]]s, begonnen. Durch zahlreiche berühmte Persönlichkeiten verbreitete sich der Ruf der neuen Hochschule, so dass sie zu Beginn des Jahres 1625 die drittgrößte Universität des deutschen Sprachraums war. Jährlich wurden zu jener Zeit im Durchschnitt etwa 500 Studenten aufgenommen<ref>Wilhelm Havemann: ''Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg'', Bd. 3, Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen 1857, S. 36</ref>. Im gleichen Jahr führten aber der Dreißigjährige Krieg und der Ausbruch der Pest in Helmstedt zu der Einstellung des Lehrbetriebes bis 1626<ref>Friedrich August Ludewig: ''Geschichte und Beschreibung der Stadt Helmstedt'', Fleckeisensche Buchhandlung, Helmstedt 1821</ref>. Im November 1625 waren ein Drittel der Einwohner der Seuche zum Opfer gefallen und 295 Bürgerhäuser standen leer<ref>Wilhelm Havemann: ''Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg'', Bd. 3, Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen 1857, S. 75</ref>. | Im Jahre 1592 wurde mit dem Bau des späteren Hauptgebäudes, des [[Juleum]]s, begonnen. Durch zahlreiche berühmte Persönlichkeiten verbreitete sich der Ruf der neuen Hochschule, so dass sie zu Beginn des Jahres 1625 die drittgrößte Universität des deutschen Sprachraums war. Jährlich wurden zu jener Zeit im Durchschnitt etwa 500 Studenten aufgenommen<ref>Wilhelm Havemann: ''Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg'', Bd. 3, Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen 1857, S. 36</ref>. Im gleichen Jahr führten aber der Dreißigjährige Krieg und der Ausbruch der Pest in Helmstedt zu der Einstellung des Lehrbetriebes bis 1626<ref>Friedrich August Ludewig: ''Geschichte und Beschreibung der Stadt Helmstedt'', Fleckeisensche Buchhandlung, Helmstedt 1821</ref>. Im November 1625 waren ein Drittel der Einwohner der Seuche zum Opfer gefallen und 295 Bürgerhäuser standen leer<ref>Wilhelm Havemann: ''Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg'', Bd. 3, Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen 1857, S. 75</ref>. | ||
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Durch die Dominanz der rigoros orthodox-lutherisch ausgerichteten Theologischen Fakultät in Helmstedt, begann die Attraktivität der ''Academia Julia'' zu sinken. Mit der Errichtung weiterer Hochschulen in Norddeutschland, z. B. der Universität Kiel (1665), besonders aber mit der Gründung der ''Reformuniversitäten'' in Halle (1692) und vor allem Göttingen (1734) wandelte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Universität Helmstedt zu einer reinen ''Provinz-Universität'' für die studierende Einwohnerschaft des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel. Daran änderte auch ein kurzes Ansteigen der Immatrikulationszahlen im Zuge des Siebenjährigen Krieges nichts. Im Jahre 1795 studierten nur noch 97 junge Männer in Helmstedt. Mit dem Untergang des Alten Reiches 1803/06 kam Helmstedt unter die Verwaltung des napoleonisch kontrollierten Königreichs Westphalen unter König Jérôme Bonaparte, in dem mit Marburg, Rinteln, Göttingen und Halle weitere Universitäten bestanden. Der Verwaltungsreform im Königreich Westphalen unter Minister Johannes von Müller fielen die Universitäten Rinteln und Helmstedt zum Opfer. Die ''Academia Julia'' wurde auf Anordnung König Jérômes vom Dezember 1809 mit Ende des Wintersemesters 1809/10 im Mai 1810 geschlossen.<ref>U. Alschner, Universitätsbesuch in Helmstedt 1576−1810, Wolfenbüttel 1998</ref> | Durch die Dominanz der rigoros orthodox-lutherisch ausgerichteten Theologischen Fakultät in Helmstedt, begann die Attraktivität der ''Academia Julia'' zu sinken. Mit der Errichtung weiterer Hochschulen in Norddeutschland, z. B. der Universität Kiel (1665), besonders aber mit der Gründung der ''Reformuniversitäten'' in Halle (1692) und vor allem Göttingen (1734) wandelte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Universität Helmstedt zu einer reinen ''Provinz-Universität'' für die studierende Einwohnerschaft des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel. Daran änderte auch ein kurzes Ansteigen der Immatrikulationszahlen im Zuge des Siebenjährigen Krieges nichts. Im Jahre 1795 studierten nur noch 97 junge Männer in Helmstedt. Mit dem Untergang des Alten Reiches 1803/06 kam Helmstedt unter die Verwaltung des napoleonisch kontrollierten Königreichs Westphalen unter König Jérôme Bonaparte, in dem mit Marburg, Rinteln, Göttingen und Halle weitere Universitäten bestanden. Der Verwaltungsreform im Königreich Westphalen unter Minister Johannes von Müller fielen die Universitäten Rinteln und Helmstedt zum Opfer. Die ''Academia Julia'' wurde auf Anordnung König Jérômes vom Dezember 1809 mit Ende des Wintersemesters 1809/10 im Mai 1810 geschlossen.<ref>U. Alschner, Universitätsbesuch in Helmstedt 1576−1810, Wolfenbüttel 1998</ref> | ||
Den Helmstedter Studenten wurde eine ausgeprägte Neigung zu Duellen nachgesagt. Erdmann Uhse nahm 1710 folgende Verse in sein ''Universal-geographisch-historisches Lexicon'' auf: | |||
::: | ::„Wer von Wittenberg kommt mit gesunden Leib / | ||
:::'' | ::Von Leipzig und Tübingen ohne Weib / | ||
::Von Jena und Helmstädt ungeschlagen / | |||
:::'' | ::Der kan von grossem Glücke sagen.“<ref>Artikel ''Wittenberg'' [http://books.google.de/books?pg=RA1-PA543 S. 543 linke Spalte books.google.de]. Siehe auch F. Hermann Meyer: ''Studentica. Leben und Sitten deutscher Studenten früherer Jahrhunderte. Leipzig 1857 [http://books.google.de/books?id=TTcBAAAAYAAJ&pg=PA6 S. 6 books.google.de]</ref> | ||
Dieser Ruf verdankt sich wahrscheinlich der Grabplatte des Studenten Alexander Kock in der [[St. Stephani (Helmstedt)|St.-Stephani-Kirche]], der am 26. Februar 1584 den bei einem Duell erlittenen Verletzungen erlegen war.<ref>http://www.inschriften.net/helmstedt/inschrift/nr/di061-0084.html</ref> Ein Duell mit tödlichem Ausgang aus der Endzeit der Julia Carolina dient als Hintergrund in Wilhelm Raabes Erzählung ''[[Die alte Universität]]'' (1858) um das historisch verbürgte Treffen der Absolventen der Universität am 29. Mai 1822.<ref>Wilhelm Raabe: ''Sämtliche Werke. Braunschweiger Ausgabe'' Band 2, 2. Aufl. 1992, III. Anmerkungen [http://books.google.de/books?id=Vs0TQ0U0uHcC&pg=PA597 S. 597 ff. books.google.de]</ref> Raabe zitiert dort auch das lateinische Erinnerungslied: | |||
::„Fato cessit Julia, | Silent professores, | Vacant auditoria, | Sola nos memoria | Vocat auditores.“<ref>[http://books.google.de/books?id=_5g7AAAAcAAJ&pg=PA21 books.google.de S. 21]</ref> | |||
(„Dem Schicksal erlag Julia, | still sind die Professoren, | leer stehen die Hörsäle, | einzig die Erinnerung | ruft uns Hörer herauf.“ Melodie: ''Gaudeamus igitur'') | |||
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Helmstedt Juleum.jpg|Aulagebäude ''Juleum Novum'' | |||
Helmstedt Grundriss Universitätsbauten.jpg|Grundriss der Universitätsbauten | |||
Helmstedt Juleum Portal.jpg|Portalschmuck am Juleum | |||
Universität Helmstedt Collegienflügel.jpg|Collegienflügel | |||
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== Ehemalige Universitätsbibliothek Helmstedt == | == Ehemalige Universitätsbibliothek Helmstedt == | ||
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Die ''Ehemalige Universitätsbibliothek Helmstedt'' besitzt noch heute einen bedeutenden Buchbestand von rund 35.000 Titeln, vorwiegend aus der Zeit von 1490 bis 1810. Ein weiterer Teil der Bestände befindet sich in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. | Die ''Ehemalige Universitätsbibliothek Helmstedt'' besitzt noch heute einen bedeutenden Buchbestand von rund 35.000 Titeln, vorwiegend aus der Zeit von 1490 bis 1810. Ein weiterer Teil der Bestände befindet sich in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. | ||
Bisherige Leiter der ehemaligen Universitätsbibliothek: | |||
* seit 2024: Matthias Meinhardt | |||
* 2015–2024: Wolfgang Pschichholz | |||
* 1956–202?: Rolf Volkmann | |||
== Fakultäten der Universität Helmstedt == | == Fakultäten der Universität Helmstedt == | ||
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* Claudia Kauertz, ''Wissenschaft und Hexenglaube. Die Universität Helmstedt 1576−1626,'' 2001. ISBN 978-3-89534-353-7. | * Claudia Kauertz, ''Wissenschaft und Hexenglaube. Die Universität Helmstedt 1576−1626,'' 2001. ISBN 978-3-89534-353-7. | ||
* Wiebke Kloth: ''Die Universität Helmstedt und ihre Bedeutung für die Stadt Helmstedt.'' Landkreis Helmstedt, Helmstedt 2003 (Beiträge zur Geschichte des Landkreises und der ehemaligen Universität Helmstedt, 16). | * Wiebke Kloth: ''Die Universität Helmstedt und ihre Bedeutung für die Stadt Helmstedt.'' Landkreis Helmstedt, Helmstedt 2003 (Beiträge zur Geschichte des Landkreises und der ehemaligen Universität Helmstedt, 16). | ||
* Hans-Ehrhard Müller | * {{Literatur |Autor=[[Hans-Ehrhard Müller]] |Titel=Helmstedt – die Geschichte einer deutschen Stadt |Auflage=2 |Verlag= |Ort= |Datum=2004 |ISBN= |Seiten=360–433}} | ||
* N. N.: ''Späthumanismus und Landeserneuerung. Die Gründungsepoche der Universität Helmstedt 1576–1613'', Sonderausstellung des Braunschweigischen Landesmuseums für Geschichte und Volkstum vom 4. September bis 28. November 1976 aus Anlaß des 400-jährigen Gründungstages der Universität Helmstedt am 15. Oktober 1976, In: ''Veröffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums'', Nr. 9, Braunschweig 1976 | * N. N.: ''Späthumanismus und Landeserneuerung. Die Gründungsepoche der Universität Helmstedt 1576–1613'', Sonderausstellung des Braunschweigischen Landesmuseums für Geschichte und Volkstum vom 4. September bis 28. November 1976 aus Anlaß des 400-jährigen Gründungstages der Universität Helmstedt am 15. Oktober 1976, In: ''Veröffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums'', Nr. 9, Braunschweig 1976 | ||
* Alois Schikora: ''Die Spruchpraxis an der Juristenfakultät zu Helmstedt.'' Hansen-Schmidt Verlagsgesellschaft 1973, ISBN 3-78811-811-3. | * Alois Schikora: ''Die Spruchpraxis an der Juristenfakultät zu Helmstedt.'' Hansen-Schmidt Verlagsgesellschaft 1973, ISBN 3-78811-811-3. | ||
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[[Kategorie:Ehemalige Hochschule]] | [[Kategorie:Ehemalige Hochschule]] | ||
[[Kategorie:Baudenkmal in Helmstedt]] | |||
[[Kategorie:Altstadt]] | [[Kategorie:Altstadt]] | ||