Rathaus (Helmstedt): Unterschied zwischen den Versionen

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Das neue Rathaus wurde bei der damals üblichen Anleihe an die Gotik des Mittelalters im neugotischen Stil aus blankem Sandstein errichtet. Das Material kam aus den Steinbrüchen bei den früheren Holzmühlen im [[Brunnental]] und aus den Sandsteinbrüchen in Wefensleben. Aus den Wefenslebener Platten wurde beispielsweise die ganze Seite an der [[Kornstraße]] gefertigt. Am 31. August [[1904]] konnte Richtfest gefeiert werden und aufgrund der zügig laufenden Arbeiten rechnete man mit einer Fertigstellung im November 1905. Doch wie heute gabe es auch früher kleine Pannen beim Bau. Der Stuckateur beispielsweise der die Sprüche, die rechts und links und in der Mitte im Treppeneingang bis heute zu sehen sind, zunächst mit ''„Jedem Recht“'' statt ''„Jedem gerecht“'' geschrieben. Er korrigierte selbstverständlich sein Werk und so steht dort in der Mitte ''„Jedem gerecht“'', links und rechts flankiert von ''„Recht geht vor Macht“'' und ''„Reifer Rat rasche Tat“''.
Das neue Rathaus wurde bei der damals üblichen Anleihe an die Gotik des Mittelalters im neugotischen Stil aus blankem Sandstein errichtet. Das Material kam aus den Steinbrüchen bei den früheren Holzmühlen im [[Brunnental]] und aus den Sandsteinbrüchen in Wefensleben. Aus den Wefenslebener Platten wurde beispielsweise die ganze Seite an der [[Kornstraße]] gefertigt. Am 31. August [[1904]] konnte Richtfest gefeiert werden und aufgrund der zügig laufenden Arbeiten rechnete man mit einer Fertigstellung im November 1905. Doch wie heute gabe es auch früher kleine Pannen beim Bau. Der Stuckateur beispielsweise der die Sprüche, die rechts und links und in der Mitte im Treppeneingang bis heute zu sehen sind, zunächst mit ''„Jedem Recht“'' statt ''„Jedem gerecht“'' geschrieben. Er korrigierte selbstverständlich sein Werk und so steht dort in der Mitte ''„Jedem gerecht“'', links und rechts flankiert von ''„Recht geht vor Macht“'' und ''„Reifer Rat rasche Tat“''.


[[Datei:Helmstedt Rathaus Buntfenster.jpg|thumb|Glasmalerei im Sitzungssaal des Rathauses]]
Insgesamt kostete der Rathausneubau 334.749,80 Mark (veranschlagt waren 225.000,00 Mark), der zum Teil aus Rücklagen und zum Teil durch Anleihen finanziert wurde. Der Kreisausschuss stellte zusätzlich 2.000 Mark für die Einrichtung des Sitzungssaales zur Verfügung. Dafür sollte die Stadt dem Kreisausschuss den Saal für deren Sitzungen zur Verfügung stellen. Weitere 1.500 Mark stifteten der Magistrat und die Stadtverordneten für das Mittelfenster des Sitzungssaales. Am unteren Rand dieses Fensters sind deren Namen bis heute zu lesen. Die Bauarbeiten waren schließlich Ende 1905 beendet. Auch wenn der ursprüngliche Termin nicht eingehalten werden konnte am 23. Januar 1906 die große Einweihungsfeier stattfinden. Eingeladen war etwa 100 Herren (ausschließlich Herren!), darunter auch der Innenminister [[Adolph Hartwieg]], ehemaliger Bürgermeister von Helmstedt und [[Hildebert Guericke]], ein weiterer ehemaliger Bürgermeister der Stadt. Zusammen mit Bürgermeister [[Franz Schönemann]] sind sie übrigens bis heute auf dem rechten Seitenfenster des Sitzungssaales zu sehen. Der Stadtbaurat Schellenberg übergab den Schlüssel des neuen Verwaltunsgebäudes, der auf einem mit dem Helmstedter Wappen bestickten Seidenkissen lag, an Bürgermeister Schönemann. Nach dem Festakt mit mehreren Reden fand ein Rundgang durch das Rathaus statt. Den Abschluss bildete um drei Uhr ein Festessen im Sitzungssaal.
Insgesamt kostete der Rathausneubau 334.749,80 Mark (veranschlagt waren 225.000,00 Mark), der zum Teil aus Rücklagen und zum Teil durch Anleihen finanziert wurde. Der Kreisausschuss stellte zusätzlich 2.000 Mark für die Einrichtung des Sitzungssaales zur Verfügung. Dafür sollte die Stadt dem Kreisausschuss den Saal für deren Sitzungen zur Verfügung stellen. Weitere 1.500 Mark stifteten der Magistrat und die Stadtverordneten für das Mittelfenster des Sitzungssaales. Am unteren Rand dieses Fensters sind deren Namen bis heute zu lesen. Die Bauarbeiten waren schließlich Ende 1905 beendet. Auch wenn der ursprüngliche Termin nicht eingehalten werden konnte am 23. Januar 1906 die große Einweihungsfeier stattfinden. Eingeladen war etwa 100 Herren (ausschließlich Herren!), darunter auch der Innenminister [[Adolph Hartwieg]], ehemaliger Bürgermeister von Helmstedt und [[Hildebert Guericke]], ein weiterer ehemaliger Bürgermeister der Stadt. Zusammen mit Bürgermeister [[Franz Schönemann]] sind sie übrigens bis heute auf dem rechten Seitenfenster des Sitzungssaales zu sehen. Der Stadtbaurat Schellenberg übergab den Schlüssel des neuen Verwaltunsgebäudes, der auf einem mit dem Helmstedter Wappen bestickten Seidenkissen lag, an Bürgermeister Schönemann. Nach dem Festakt mit mehreren Reden fand ein Rundgang durch das Rathaus statt. Den Abschluss bildete um drei Uhr ein Festessen im Sitzungssaal.


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Dem Gebäude fehlt, das beklagen auch heute noch die Kunsthistoriker, ein einheitlicher Stil, denn der Stadtbaumeister ließ den Giebel mit Renaissanceformen verzieren und errichtete die Fenster in Spätgotik. Im Inneren wählte er den Jugendstil. Dieser Stil galt zu dieser Zeit als der letzte Schrei der bildenden Kunst. Sowohl der figürliche Schmuck an der Fassade als auch die Ausgestaltung des Einganges, des Treppenhauses und besonders des Sitzungssaales einschließlich der Fenster weisen auf vergangene Jahrhunderte hin: Christianisierung, Entstehung der Stadtgemeinde, un der Berufsgrupen, kommunale Bewegung und aufstrebendes Bürgertum, Abt und Herzog, mittelalterliche Stadt, Aufgaben der Verantwortlichen im Ratshaus, Reformation und Universität, Bürgermeister. Die Gemälde von braunschweigischen Fürstlichkeiten im Sitzungssaal unterstreichen den Bezug zum Fürstentum Braunschweig.
Dem Gebäude fehlt, das beklagen auch heute noch die Kunsthistoriker, ein einheitlicher Stil, denn der Stadtbaumeister ließ den Giebel mit Renaissanceformen verzieren und errichtete die Fenster in Spätgotik. Im Inneren wählte er den Jugendstil. Dieser Stil galt zu dieser Zeit als der letzte Schrei der bildenden Kunst. Sowohl der figürliche Schmuck an der Fassade als auch die Ausgestaltung des Einganges, des Treppenhauses und besonders des Sitzungssaales einschließlich der Fenster weisen auf vergangene Jahrhunderte hin: Christianisierung, Entstehung der Stadtgemeinde, un der Berufsgrupen, kommunale Bewegung und aufstrebendes Bürgertum, Abt und Herzog, mittelalterliche Stadt, Aufgaben der Verantwortlichen im Ratshaus, Reformation und Universität, Bürgermeister. Die Gemälde von braunschweigischen Fürstlichkeiten im Sitzungssaal unterstreichen den Bezug zum Fürstentum Braunschweig.


=== Ratssaal ===
=== Fenster im Ratssaal ===
[[Datei:Helmstedt Rathaus Buntfenster.jpg|thumb|Glasmalerei im Sitzungssaal des Rathauses]]
Während des Rathausneubaues in den Jahren 1903 bis 1905 waren für den neuen Sitzungssaal drei Fenster vorgesehen. Diese wurden von einer Kunstanstalt für Glasmalerei in Quedlinburg geliefert. Das große dreiteilige Mittelfenster präsentiert eine gemalte Stadtansicht und gemalten Eichbaum mit den Wappen der Handwerker. Im oberen Teil ist das Wappen des Herzogtums Braunschweigs – die Krone über schreitenden Löwen – zu sehen. Die beiden Seitenfenster zeigen reiche Ornamentmalerei und Felder mit gemalten Stadtansichten. Das linke Seitenfenster zeigt oben das Wappen der ehemaligen [[Universität Helmstedt]] (Simon, der dem Löwen den Rachen aufreißt, mit Sonne Mond und Sternen). Oben im rechten Seitenfenster sind die gekreuzten Abtstäbe des Heiligen Ludger zu sehen. Symmetrisch über alle drei Fensterflächen verteilt sieht man die Zeichen und Namen verschiedener Industrie- und Handwerkszweige: Bergbau, Maurer, Zimmerer, Dachdecker, Klempner, Tischler, Schlosser, Glaser, Maler, Ackerbau, Wagenbau, Schmied, Sattler, Gerber, Kürschner, Handel, Fleischer, Bäcker, Schuhmacher, Schneider und Friseure. Die farbige Silhouette der mittelalterlichen Stadt bildet den stimmungsvollen Hintergrund. Die Butzenscheiben bestehen aus farbigem Glas, die mit Blei eingefasst sind. Die beiden anderen Fenster links und rechts im Ratssaal zeigen nur im oberen Teil bildliche Darstellungen. In den Medaillons im linken Fenster sieht man die [[St.-Stephani-Kirche]] und das alte Stadthaus. In den Medaillons im rechten Fenster sind das [[Juleum]] und der [[Hausmannsturm]] abgebildet. Mit den Darstellungen in den Schmuckfenstern des Ratssaales wollten die Stadtverordneten und der Magistrat damals die aufstrebende Stadt dokumentieren und den berechtigten Stolz auf ihre Stadt Helmstedt.
Während des Rathausneubaues in den Jahren 1903 bis 1905 waren für den neuen Sitzungssaal drei Fenster vorgesehen. Diese wurden von einer Kunstanstalt für Glasmalerei in Quedlinburg geliefert. Das große dreiteilige Mittelfenster präsentiert eine gemalte Stadtansicht und gemalten Eichbaum mit den Wappen der Handwerker. Im oberen Teil ist das Wappen des Herzogtums Braunschweigs – die Krone über schreitenden Löwen – zu sehen. Die beiden Seitenfenster zeigen reiche Ornamentmalerei und Felder mit gemalten Stadtansichten. Das linke Seitenfenster zeigt oben das Wappen der ehemaligen [[Universität Helmstedt]] (Simon, der dem Löwen den Rachen aufreißt, mit Sonne Mond und Sternen). Oben im rechten Seitenfenster sind die gekreuzten Abtstäbe des Heiligen Ludger zu sehen. Symmetrisch über alle drei Fensterflächen verteilt sieht man die Zeichen und Namen verschiedener Industrie- und Handwerkszweige: Bergbau, Maurer, Zimmerer, Dachdecker, Klempner, Tischler, Schlosser, Glaser, Maler, Ackerbau, Wagenbau, Schmied, Sattler, Gerber, Kürschner, Handel, Fleischer, Bäcker, Schuhmacher, Schneider und Friseure. Die farbige Silhouette der mittelalterlichen Stadt bildet den stimmungsvollen Hintergrund. Die Butzenscheiben bestehen aus farbigem Glas, die mit Blei eingefasst sind. Die beiden anderen Fenster links und rechts im Ratssaal zeigen nur im oberen Teil bildliche Darstellungen. In den Medaillons im linken Fenster sieht man die [[St.-Stephani-Kirche]] und das alte Stadthaus. In den Medaillons im rechten Fenster sind das [[Juleum]] und der [[Hausmannsturm]] abgebildet. Mit den Darstellungen in den Schmuckfenstern des Ratssaales wollten die Stadtverordneten und der Magistrat damals die aufstrebende Stadt dokumentieren und den berechtigten Stolz auf ihre Stadt Helmstedt.