Rieseberg-Morde: Unterschied zwischen den Versionen
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Nach der Machtergreifung des NS-Regimes am 30. Januar [[1933]] kam es in der Stadt und dem Freistaat Braunschweig wie auch in großen Teilen des Reichsgebiets sehr bald zu brutalen Übergriffen gegenüber politisch Andersdenkenden (Gewerkschafter, katholische Jugendorganisationen, KPD, [[SPD]] usw.) durch Anhänger der NSDAP und ihr angeschlossene bzw. nahestehende Organisationen (z. B. SA, SS, Stahlhelm). | Nach der Machtergreifung des NS-Regimes am 30. Januar [[1933]] kam es in der Stadt und dem Freistaat Braunschweig wie auch in großen Teilen des Reichsgebiets sehr bald zu brutalen Übergriffen gegenüber politisch Andersdenkenden (Gewerkschafter, katholische Jugendorganisationen, KPD, [[SPD]] usw.) durch Anhänger der NSDAP und ihr angeschlossene bzw. nahestehende Organisationen (z. B. SA, SS, Stahlhelm). | ||
Am 29. Juni [[1933]] gingen in Braunschweig in Zivil gekleidete SA- und SS-Männer gegen politische Gegner unter der dortigen Arbeiterschaft vor | Am 29. Juni [[1933]] gingen in Braunschweig in Zivil gekleidete SA- und SS-Männer gegen politische Gegner unter der dortigen Arbeiterschaft vor. Sie suchten nach Personen, die kurz zuvor illegale Flugblätter verteilt hatten. Während dieser Aktion im Braunschweiger Arbeiterviertel Eichtal trafen an der Kreuzung Eichtalstraße, Gartenkamp, Spinnerstraße zwei SS-Trupps aufeinander, die sich gegenseitig für die Gesuchten hielten und aufeinander schossen. Der SS-Angehörige Gerhard Landmann wurde dabei tödlich getroffen. Dies wurde auch [[1950]] vom SA-Angehörigen Gattermann im entsprechenden Prozess bestätigt. Gattermann war kurz nach dem Tode Landmanns am Tatort eingetroffen und nahm an, nachdem er selbst die Örtlichkeit und die Tatumstände geprüft hatte, Freundbeschuss sei für den Tod Landmanns ursächlich gewesen. Nachdem er dies geäußert habe, sei er allerdings vom braunschweigischen Landespolizeichef und SS-Obergruppenführer Friedrich Jeckeln, der ebenfalls kurz nach dem Vorfall am Tatort eingetroffen war, zurechtgewiesen worden. | ||
== Die „Schuldigen“ == | == Die „Schuldigen“ == | ||
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== Die Landmann-Welle == | == Die Landmann-Welle == | ||
Der damalige Potsdamer Polizeipräsident Graf Helldorff hatte die Parole ausgegeben, für jeden getöteten Nationalsozialisten müssten jeweils zehn Marxisten sterben.<ref>Peter Berger: ''Widerstand gegen ein braunes Braunschweig.'' Hannover 1980, S. 79 f., zitiert nach Alfred Oehl: ''Der Massenmord in Rieseberg 1933''. (Regionale Gewerkschaftsblätter; Bd. 20). 2. ergänzte Auflage. DGB, Braunschweig 2004, S. 19.</ref> Nach dieser Maxime schien man in Braunschweig vorgehen zu wollen: Unmittelbar nach dem Tode Landmanns leitete Jeckeln eine groß angelegte Aktion zur Verfolgung politischer Gegner unter dem Vorwand der Fahndung nach den flüchtigen Mördern des SS-Mannes ein. Diese Aktion, in Anlehnung an den Namen des Getöteten „Landmann-Welle“ genannt, umfasste den gesamten Freistaat. | Der damalige Potsdamer Polizeipräsident Graf Helldorff hatte die Parole ausgegeben, für jeden getöteten Nationalsozialisten müssten jeweils zehn Marxisten sterben.<ref>Peter Berger: ''Widerstand gegen ein braunes Braunschweig.'' Hannover 1980, S. 79 f., zitiert nach Alfred Oehl: ''Der Massenmord in Rieseberg 1933''. (Regionale Gewerkschaftsblätter; Bd. 20). 2. ergänzte Auflage. DGB, Braunschweig 2004, S. 19.</ref> Nach dieser Maxime schien man in Braunschweig vorgehen zu wollen: Unmittelbar nach dem Tode Landmanns leitete Jeckeln eine groß angelegte Aktion zur Verfolgung politischer Gegner unter dem Vorwand der Fahndung nach den flüchtigen Mördern des SS-Mannes ein. Diese Aktion, in Anlehnung an den Namen des Getöteten „Landmann-Welle“ genannt, umfasste den gesamten Freistaat. | ||
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=== Die Opfer === | === Die Opfer === | ||
* Hermann Behme (* 11. November [[1884]] in der Nähe von Klein Mahner), Dreher, Mitglied des Spartakusbundes und der KPD. Angestellter bei der Braunschweiger Firma MIAG, dort Betriebsratsvorsitzender | * Hermann Behme (* 11. November [[1884]] in der Nähe von Klein Mahner), Dreher, Mitglied des Spartakusbundes und der KPD. Angestellter bei der Braunschweiger Firma MIAG, dort Betriebsratsvorsitzender | ||
* Julius Bley (* 11. Januar [[1890]], Köln), Chemigraf und KPD-Mitglied | * Julius Bley (* 11. Januar [[1890]], Köln), Chemigraf und KPD-Mitglied | ||
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== Gedenken == | == Gedenken == | ||
=== Gedenkkarte === | === Gedenkkarte === | ||
Bereits wenige Wochen nach dem Mord tauchten von der KPD angefertigte Gedenkkarten in Form eines Fotos der Gräber mit den handschriftlich vermerkten Namen der zehn Getöteten auf (von einem elften war damals nichts bekannt), die heimlich verkauft wurden. Der Erlös diente der Unterstützung der Hinterbliebenen der Opfer. | Bereits wenige Wochen nach dem Mord tauchten von der KPD angefertigte Gedenkkarten in Form eines Fotos der Gräber mit den handschriftlich vermerkten Namen der zehn Getöteten auf (von einem elften war damals nichts bekannt), die heimlich verkauft wurden. Der Erlös diente der Unterstützung der Hinterbliebenen der Opfer. | ||
=== Exhumierung und Beisetzung === | === Exhumierung und Beisetzung === | ||
Am 22. Juli [[1953]] wurden die Leichen auf Wunsch der Angehörigen exhumiert und zwecks Obduktion nach Braunschweig gebracht. Der Untersuchungsbericht gibt Auskunft über die Todesursache der einzelnen Personen: Die meisten Opfer waren durch Kopfschuss getötet worden, etliche wiesen zusätzliche schwere Verletzungen wie (z. T. mehrfache) Knochen- und Schädelbrüche auf. Bei zwei der Toten ließ sich die Todesursache nicht (mehr) feststellen. | Am 22. Juli [[1953]] wurden die Leichen auf Wunsch der Angehörigen exhumiert und zwecks Obduktion nach Braunschweig gebracht. Der Untersuchungsbericht gibt Auskunft über die Todesursache der einzelnen Personen: Die meisten Opfer waren durch Kopfschuss getötet worden, etliche wiesen zusätzliche schwere Verletzungen wie (z. T. mehrfache) Knochen- und Schädelbrüche auf. Bei zwei der Toten ließ sich die Todesursache nicht (mehr) feststellen. | ||