Alversdorf

aus Helmstedt-Wiki, der freien Enzyklopädie über den Landkreis Helmstedt
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Wappen Deutschlandkarte
Wappen fehlt
Markierung
Deutschlandkarte, Position der Gemeinde Alversdorf hervorgehoben
Koordinaten: 52° 9′ N, 11° 1′ O
Basisdaten
Bundesland: Niedersachsen
Landkreis: Helmstedt
Einwohner: 0 (31. Dez. 1973)
Kfz-Kennzeichen: HE
Bürgermeister: Otto Schulz (?–1971)

Alversdorf war eine Gemeinde im Landkreis Helmstedt in Niedersachsen in Deutschland im sogenannten Zonengrenzbezirk, die von 1967 an dem Braunkohleabbau weichen musste. Planungen, eine neue Ortschaft mit dem Namen Neu Alversdorf südlich von Neu Büddenstedt zu errichten, wurden nicht ausgeführt.[1]

Geografie

Alversdorf lag etwa 4 km nordöstlich von Schöningen und 2 km westlich von Offleben.

Geschichte

Die Ortschaft Alversdorf wurde erstmals im Jahr 983 unter der Bezeichnung Adalgerasthorpa urkundlich erwähnt.

Für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Einwohner wurde 1924 ein Denkmal errichtet.

Bereits Anfang der 1920er-Jahre entstanden erste Planungen zum späteren Abbruch des Dorfes. Ab 1943/1944 war der Bau neuer massiver Gebäude nicht mehr gestattet.

Im Jahr 1938 wurde beim Torfabbau im Moor bei Alversdorf das Geweih eines Riesenhirsches (Megaloceros hibernicus) entdeckt, einer während der mittleren und jüngeren Eiszeit in Europa verbreiteten Art.[2] Das Fundstück befand sich zeitweise als Leihgabe des Kreis- und Universitätsmuseums Helmstedt im Jagdschloss Springe.

Während des Zweiten Weltkriegs befand sich im Norden Alversdorfs ein Barackenlager, das als Arbeitslager für Kriegsgefangene genutzt wurde. Nach Kriegsende fanden dort Flüchtlingsfamilien Unterkunft. In der unmittelbaren Nachkriegszeit verfügte das Dorf bei einer Einwohnerzahl von rund 2.000 über verschiedene Einrichtungen, darunter einen Friseur, einen Arzt, einen Bäcker, eine evangelische Kirche sowie ein Hallenbad, das von den Braunschweigischen Kohlen-Bergwerken errichtet worden war. Im Barackenlager befanden sich zudem eine Drogerie und ein Juwelier.[3]

Infolge der Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa zwischen 1945 und 1950 stieg die Einwohnerzahl von 798 (1939) auf 2.294 (1950), darunter 964 Heimatvertriebene.[4]

Das Hallenbad stand der Bevölkerung kostenlos zur Verfügung. Vermutlich wurde es als soziale Maßnahme der Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke errichtet, da die benachbarte Brikettfabrik erhebliche Verschmutzungen verursachte und viele Haushalte noch nicht über Warmwasserversorgung verfügten. Das Bad wurde mit Abwärme aus den umliegenden Industrieanlagen wie der Brikettfabrik, dem Schwelwerk und dem Kraftwerk Offleben beheizt. Auch Schulklassen und Sportvereine aus Helmstedt nutzten die Einrichtung, wodurch das Dorf überregionale Bedeutung erhielt. Das Julius-Bad in Helmstedt wurde erst 1976 eröffnet. Das Hallenbad schloss 1974.[5]

Mit der Eröffnung des Tagebaus Alversdorf im Jahr 1962 begann der strukturelle Wandel der Region. Der Abriss des Dorfes setzte 1967 ein. Am 6. Juni 1961, dem Tag der Volkszählung, lebten noch 1033 Menschen in der Gemeinde; am 27. Mai 1970 waren es nur noch 419.[4]

Am 1. April 1971 wurde die politische Gemeinde Alversdorf aufgelöst. Das Gemeindegebiet wurde aufgeteilt: Der Hauptteil fiel an die Stadt Schöningen, kleinere Flächen an Neu Büddenstedt, Offleben und Reinsdorf.[4]

Die über 800 Jahre alte Dorfkirche wurde am 11. Juli 1972 mit einem letzten Gottesdienst verabschiedet. Am 24. Juli desselben Jahres wurden die 1950 gegossenen Glocken mitsamt Eisengerüst vom Turm entfernt und zur Clus-Kirche nach Schöningen gebracht, wo sie in den neu errichteten Kirchturm eingebaut wurden.[6] Auch die Kirchenfenster gelangten dorthin, während die Orgel nach Offleben überführt wurde. Noch im selben Jahr wurde die Kirche abgerissen.

Am 6. Februar 1974 wurde das letzte Wohnhaus des Ortes abgerissen.[5]

Religion

Die Mehrzahl der Einwohner:innen und die in der Ortsmitte gelegene Kirche mit ihrem romanischen Turm waren seit der Einführung der Reformation evangelisch-lutherisch. Die nächstliegende katholische Notkirche befand sich seit 1924 in Offleben. Zuvor befanden sich die nächstgelegenen katholischen Kirchen in Schöningen (seit 1908), Hötensleben (seit 1891) und Helmstedt.

Einwohnerentwicklung

Jahr Einwohner
1821[7] 000000000000260.0000000000260
1849[7] 000000000000232.0000000000232
1871[7] 000000000000299.0000000000299
1875[8] 000000000000311.0000000000311
1885[8] 000000000000384.0000000000384
1890[8] 000000000000430.0000000000430
1900[8] 000000000000768.0000000000768
1905[8] 000000000001140.00000000001.140
1910[8] 000000000001243.00000000001.243
1925[9] 000000000000835.0000000000835
1933[9] 000000000000806.0000000000806
1939[4] 000000000000798.0000000000798
1950[4] 000000000002294.00000000002.294
1951[10] 000000000002180.00000000002.180
1956[11] 000000000001537.00000000001.537
1961[4] 000000000001033.00000000001.033
1963[10] 000000000000898.0000000000898
1965[10] 000000000000837.0000000000837
1970[4] 000000000000419.0000000000419
1971[10] 000000000000324.0000000000324
1972[10] 000000000000186.0000000000186
1973[10] 000000000000000.00000000000

Politik

Bürgermeister

Der letzte Bürgermeister von Alversdorf war Otto Schulz. Frühere Bürgermeister waren die Herren Hildebrandt und Kapp.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Es existierten in Alverdorf verschiedene Vereine, darunter:

Musik

Am 16. Januar 1877 wurde auf Veranlassung des Kantors Küchenthal der Männer-Gesangverein „Harmonie“ gegründet. 1910 gründete sich der Arbeiter-Gesang-Verein Liedertafel, zu dessen 1. Vorsitzenden Fritz Hartmann gewählt wurde. Die musikalische Leitung hatte Bruno Dolatkiewicz aus Schöningen inne.[12]

Sport

Im Ort existierte der 1903 gegründete TV Jahn Alversdorf. Die Fußballriege dieses Vereins gründete 1921 einen eigenen Verein namens FC Minerva Alversdorf. 1933 ging aus der Fusion dieser beiden Vereine der TSV Alversdorf hervor, der 1950 in TSV Treue Alversdorf umbenannt wurde, und der im Jahr 1955 mit 500 Mitgliedern seinen Mitgliederhöchststand erreichte. Sparten im Verein waren Turnen, Fußball, Tischtennis, Schwimmen, Boxen, Leichtathletik und Kegeln. Als 1963 viele Bürger das Dorf schon verlassen hatten, zählte der Verein nur noch 100 Mitglieder und wurde schließlich 1965 aufgelöst.

Wirtschaft und Infrastruktur

Unternehmen

Im Ort gab es eine Gastwirtschaft names Gasthof Pinkernelle.

Öffentliche Einrichtungen

Alversdorf verfügte von 1875 bis zum 31. März 1971 über eine Ortsfeuerwehr. Danach erfolgte die Übernahme des Brandschutzes für den Ort durch die Feuerwehr in Schöningen.

Bildung

Die Schule wurde am 31. Juli 1968 geschlossen, danach diente das Schulgebäude noch als Kindergarten und Bücherei.

Verkehr

Ehemalige Straße (Auswahl)

Eisenbahn

Alversdorf verfügte mit dem Bahnhof Alversdorf über einen Eisenbahnanschluss für den Güterverkehr an der wegen des Tagebaus um 1940 verlegten Bahnstrecke Helmstedt–Jerxheim, die auch der Anbindung des Braunkohlereviers diente.

Trivia

  • In Esbeck erinnert die Alversdorfer Straße an den ehemaligen Ort
  • In Offleben wurde zur Erinnerung an Alversdorf die Bahnhofstraße in Alversdorfer Straße umbenannt[17].
  • In Schöningen erinnert der Alversdorfer Weg an das ehemalige Dorf
  • Seit 2006 organisiert ein Orga-Team in zweijährigem Rhythmus ein Treffen ehemaliger Bewohner, bei dem Erinnerungen ausgetauscht werden.[18][19]
  • An der Stelle, an dem die Kirche von Alversdorf ursprünglich gestanden hat, erinnerte seit 2018 ein Gedenkstein in Form eines Granitblocks mit einer Metalltafel an den ehemaligen Ort. Auf der Messingplatte sind die Zeilen „Zur Erinnerung an Alversdorf, 983 – 1974“ eingraviert. 2019 wurde sie entwendet.[20]

Literatur

  • Karl Rose: Heimatbuch des Dorfes Alversdorf. Alversdorf 1951.
  • Karl Rose: Heimatbuch des Dorfes Alversdorf 1951 – 1963. 1. Nachtrag. Alversdorf 1964.
  • Hans Günther KG (Hrsg.): Festschrift zum Treffen ehemaliger Alversdorfer Einwohner am 16./17. August 1975. Helmstedt 1975.
  • Dietrich Isensee: Treue-Bekenntnisse und keine Vereinsmalerei. Schöningen, 2011
  • Ralph-Herbert Meyer: Auf zu den verschwundenen Orten. In: Der Loewe – Journal der Braunschweigischen Stiftungen. 9. Juli 2018, abgerufen am 1. November 2024.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heinz Pohlendt: "Der Landkreis Helmstedt", Bremen-Horn 1957, Seite 301
  2. https://www.facebook.com/photo?fbid=3287265824694362&set=pcb.2099837720160040
  3. Nina Krake: Erinnerungen an das Leben im Barackenlager. In: Braunschweiger Zeitung/Helmstedter Nachrichten, 28. Januar 2010. Abgerufen am 28. Januar 2010.
  4. a b c d e f g Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27. 5. 1970 bis 31. 12. 1982. W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart und Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 271.
  5. a b Geschichte 1970 bis 1979 auf Internetpräsenz des Landkreises Helmstedt (Memento vom 25. Februar 2018 im Internet Archive), auf helmstedt.de, abgerufen am 25. Februar 2018.
  6. Die Alversdorfer Glocken und der Turm. In: Website der Clus-Kirche Schöningen. Abgerufen am 3. April 2011.
  7. a b c Gemeindeverzeichnis Deutschland 1900. gemeindeverzeichnis.de, abgerufen am 11. Mai 2023.
  8. a b c d e f Dietrich Isensee: Treue-Bekenntnisse … und keine Vereinsmeierei – TSV „Treue“ Alversdorf (1903 bis 1965). März 2011, S. 15.
  9. a b https://www.eirenicon.com/rademacher/www.verwaltungsgeschichte.de/helmstedt.html
  10. a b c d e f Ernst Klett Verlag (Hrsg.): Strukturwandel in Deutschland – Das ehemalige Alversdorf – Und alles wegen der Kohle! 2016, S. 10–11 (archive.org [PDF]).
  11. Heinz Pohlendt: Der Landkreis Helmstedt. Walter Dorn Verlag, Bremen-Horn 1957, Tabelle 24.
  12. a b c d e f g h Dietrich Isensee: Treue-Bekenntnisse … und keine Vereinsmeierei – TSV „Treue“ Alversdorf (1903 bis 1965). März 2011, S. 17.
  13. https://www.facebook.com/groups/215009565309541/posts/2327867587357051/?comment_id=2328227970654346&reply_comment_id=2328241380653005
  14. https://www.aller-ursprung.de/index.php/fotos/ortsansichten/alversdorf
  15. https://www.facebook.com/groups/215009565309541/posts/652054008271759/
  16. https://www.aller-ursprung.de/index.php/fotos/ortsansichten/alversdorf
  17. Bischöfliches Generalvikariat: "Katholischer Gottesdienst in der Diözese Hildesheim", Hildesheim 1966, Seite 70
  18. mb/red: Alversdorf – dem Bagger geopfert, lebt in den Herzen weiter. In: Braunschweiger Zeitung / Helmstedter Nachrichten. 10. Juni 2024, abgerufen am 13. Juni 2024.
  19. Markus Brich: Im Herzen seiner ehemaligen Einwohner lebt Alversdorf weiter. In: Braunschweiger Zeitung. 10. Juni 2024, abgerufen am 13. Juni 2024.
  20. https://www.braunschweiger-zeitung.de/helmstedt/article217102815/Erinnerungstafel-an-den-Kohleort-Alversdorf-ist-verschwunden.html